Bergedorfer Zeitung - Menschliche Nähe geht auch durch den Magen

Bergedorfer Zeitung vom 20.10.10

Menschliche Nähe geht auch durch den Magen

Bei Wind -und Wetter liefert Nadja Palmowski ihren Kunden „Essen auf Rädern" --und das seit elf Jahren. Sie und drei Kollegen der „Südstormarner Vereinigung Pflegedienst GmbH" besuchen so täglich insgesamt 80 bis 100 Haushalte. „Ich bin so lange dabei, weil es mir Spaß macht. Ich unterhalte mich gerne mit Menschen, bin kein Bürotyp", erklärt die 43-Jährige, während sie den Dienstwagen durch den Nebel lenkt. Heute führt die Tour sie über 42 Haushalte in Reinbek, Neuschönningstedt, Ohe, Glinde, Mümmelmannsberg und Lohbrügge. Wunschweise stellt sie die Wärmebehälter vor die Haustür, gibt sie direkt ab oder füllt die Mahlzeit auf den Teller.

„Jeder Kunde hat spannende Geschichten zu erzählen. Einer malt wunderschöne Bilder, ein anderer, der inzwischen leider verstorben ist, hat früher in der Antarktis Tierfilme gedreht", weiß Palmowski und stoppt in Glinde beim Ehepaar Howe. Es hat Hähnchenschnitzel mit Apfel-Ananas-Stückchen, Currysoße, Mais und Butterreis bestellt. Die meisten Kunden leben im Gegensatz zu den Howes ohne Partner. „Oft sind wir die einzigen Gesprächspartner. Viele kommen kaum noch aus dem Haus. Ein paar Minuten nehmen wir uns immer Zeit. Man erfährt viel über Alltag, Hobbys; Sorgen, Krankheiten der Kunden“, sagt die Stapelfelderin, sei etwa eine leidenschaftliche Puzzlerin, eine andere kürzlich daheim schwer gestürzt. Die Fahrer schreiben die Besonderheiten einer Tour auf. Wenn jemand nicht öffnet, und sich die Mitarbeiter der Südstormarner Vereinigung Sorgen machen, rufen sie Angehörige oder gegebenenfalls Pfleger an. Wie ihre Kollegen muss Palmowski alle zwei Jahre einen Erste-Hilfe-Kursus absolvieren. „Bis jetzt ist zum Glück noch nichts passiert“, sagt sie - auch bei der aktuellen Tour läuft alles nach Plan.

„Man fragt sich oft, wie es einem selbst im Alter gehen' wird", sagt Palmowski und stellt den Scheibenwischer an - es hat angefangen zu regnen. „Schade sind die vielen offenen Enden. Manchmal habe ich jemanden über Jahre besucht, dann hören die Bestellungen auf, weil jemand zum Beispiel ins Krankenhaus muss; und ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist.“

Klar, müsse man aufpassen, dass man die Sorgen der anderen nicht mit nach Hause nehme. Doch die positiven Seiten überwiegen. „Man bekommt bei der Arbeit sehr viel zurück", erklärt sie. Vor allem Vertrauen, Verständnis und gute Worte.

 

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