Bergedorfer Zeitung - Interview mit Regina Skibowski

Bergedorfer Zeitung vom 14.06.10

Interview Psychologin Regina Skibowski über sexuelle Gewalt gegen Kinder

40 Erzieherinnen aus dem Kreis Stormarn folgten jetzt der Einladung des Arbeitskreises „Sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche" in die Begegnungsstätte Spinosa am Schlehenweg. Bei der Fachtagung ging es vor allem darum, den Erzieherinnen für Verdachtsfälle einen Leitfaden für professionelles Handeln an die Hand zu geben.

Wir sprachen mit Regina Skibowski. Die Psychologin und Psychotherapeutin arbeitet seit 29 Jahren für die Erziehungsberatung des Beratungszentrums Südstormarn-(Telefon: (040) 722 52 50).

Frau Skibowski, wie viele Missbrauchsfälle gibt es in Stormarn?

Skibowski: 2009 wurden 35 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern (bis 14 Jahren) angezeigt. Bei mir in der Beratung geht es im Jahr etwa um 20 bis 30 Kinder. Diese Zahl ist über Jahre konstant. Man sagt, dass insgesamt 18 Prozent aller Mädchen und sieben Prozent aller Jungen einmal während ihrer Kindheit und Jugend Opfer sexueller Gewalt werden. Das geht von lüsternen Blicken bis hin zu Vergewaltigungen.

Wer sind die Täter?

75 bis 80 Prozent der Fälle passieren im Nahbereich, vor allem in der. Familie Die Gewalt geht von Vater, Onkel oder Opa aus. 90 Prozent der Täter sind Männer, zehn Prozent Frauen.

Wie ist es möglich, dass Eltern manchmal nicht merken; dass. ihr Kind Opfer eines Missbrauchs geworden ist?

Meist werden die Kinder durch Drohungen zum Schweigen gezwungen. Außerdem sind die Signale, die missbrauchte Kinder nach außen senden; vieldeutig.

Welche Symptome deuten darauf hin, dass ein Kind sexuelle Gewalt erlitten hat?

Die Signale sind sehr unterschiedlich: Auffällig sind eine sexualisierte. Sprache oder sexualisiertes Verhalten, die nicht zum Alter passen. Beispielsweise Kopulationsbewegungen oder wenn ein Mädchen vom erigierten Penis seines großen Bruders oder Vaters, erzählt. Aber auch ein Rückzug kann darauf hindeuten.

Wie können Eltern oder Betreuer Kinder vor Übergriffen schützen?

Wichtig ist eine respektvolle Erziehung: Grenzen wahren, das heißt, das Kind hat das Recht, „nein" zu sagen, außerdem Zuhören und vor allem dem Kind Glauben schenken, nichts herunterspielen.

Erzählt ein Kind von einem Missbrauch, sollte man es ernst nehmen, ihm sagen: „Das ist gut, dass Du mir das erzählst" Man sollte ruhig bleiben und das Kind nicht zusätzlich durch eigene. Emotionen belasten. Auf keinen. Fall sollte man immer wieder nachfragen, sondern dann, umgehend professionelle Unterstützung suchen. Denn nach mehrmaligem Erzählen könnte vor Gericht die Glaubwürdigkeit des Kindes angezweifelt werden.

An wen können sich Eltern oder Erzieher wenden, wenn sie einen Verdacht haben - selbst wenn sie unsicher sind?

Ohnmachtsgefühle und Unsicherheiten spielen gerade bei einem Verdacht im engen Umfeld eine große Rolle. Das Beratungszentrum ist auf jeden Fall eine richtige Anlaufstelle. Den Namen der Betroffenen braucht man dort erst mal nicht nennen. Wir überlegen, ob das Jugendamt eingeschaltet werden muss: Falls ja, entscheiden wir gemeinsam mit dem Jugendamt den weiteren Weg. Vertrauen Sie auf Ihr Gefühl. Ich habe es bisher noch nicht erlebt, dass ein Verdacht unberechtigt war.

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